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Olympische Winterspiele 2002


Team Erdmann (Bronze) und Team Prokoff (Silber)



Bei Premiere nicht Gold, aber Silber und Bronze, was will man mehr? 

Die Premiere war gelungen! Zwar standen nicht die favorisierten deutschen Teams ganz oben auf dem Treppchen, sondern "das Aschenbrödel der Eisröhre (wir waren das vergessene Team)" Zitat Jill Bakken. Trotzdem wurde in Salt Lake City ein Traum endlich Wirklichkeit!

Auch noch Stunden nach diesem allerersten olympischen Renntag im Zwierbob der Frauen schlagen die Emotionen hoch. So liefen etliche Tränen über so manche Wangen, vor Freude, vor Schmerzen und auch vor Enttäuschung. Aber Tränen der Freude waren es mit Sicherheit bei dem US-Amerikanerinnen Jill Bakken und ihrer Anschieberin Vonetta Flowers.
Tränen der Enttäuschung hingegen bei ihrer Kollegin Jean Racine und ihrer neuen Anschieberin Gea Johnson. Im Vorfeld der Olympischen Spiele gab es gerade bei diesem Team viel Trubel und Ärger, der schon beim Weltcupfinale in Calgary im Dezember vergangenen Jahres begann. Bei einem Anschubtest auf der Anschubstrecke im Eishaus von Calgary warf sie kurzer Hand ihre langjährige Freundin Jennifer Davidson aus dem Team und entschied sich für Gea Johnson. Die Bodybuilderin und wegen Dopings gesperrte Siebenkämpferin Johnson fungierte davor noch bei Racines Kollegin Bonny Warner als Anschieberin. Ihre kurzfristige Abwerbung beendete so Davidsons Olympiahoffungen mit einem Schlag.


Team Susi Erdmann, Nicol Herschmann am Start. Rechts: Erica Fischbach, F.I.B.T. Jurymitglied

Klar, das Jennifer Davidson und Bonny Warner, die nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei den Herren als Spurbob die Bahn herunter fuhren, das Disaster des Teams Racine/Johnson mit einer kleinen Genugtuung mit ansahen. Denn aufgrund eines Muskelfaserrisses, den sich Johnson schon bei den Trails im Dezember zugezogen hatte, humpelte die Neuanwerbung, anstatt den Bob mit dem nötigen kräftigen Schub in den Eiskanal zu starten.

Fatal für das Team, da sie dieses Handicap nicht nur ihrer Pilotin, sondern auch den Trainern verheimlichte und erst beim ersten Training der Olympischen Spiele mit der Sprache heraus rückte. Kaum verwunderlich, dass sich alle fragten, warum Johnson nicht ausgetauscht wurde. "Meine Entscheidung" erwiderte Jean Racine auf solche Anfragen. Doch Insidern war bereits klar, dass dies nicht ihre, sondern Gea Johnson´s Entscheidung war. Die Entscheidung, komme was wolle, nicht aus dem Team ausgetauscht zu werden. Das Endresultat für das Team Racine/Johnson belegte letztendlich einen enttäuschenden 5. Platz.

"You are super, you are the best" würden schließlich Bonny Warner und Jennifer Davidson bei ihrer ersten Fahrt als Spurbob vernehmen. Fast alle Athletinnen waren mit am Start und feuerten die beiden kräftig an, da viele Genugtuung darin fanden. Für kaum eine Athletin war es nachvollziehbar gewesen was im Vorfeld gelaufen war und sprachen von "dem da oben, der wahrscheinlich zur richtigen Zeit und zum richtigen Zeitpunkt am Rad gedreht hat".

15.000 enthusiastische Zuschauer an der Eisröhre in Park City boten zusammen mit dem traumhaften Wetter am Renntag fantastische Bedingungen für den Wettkampf. "Das war eine geniale Atmosphäre" schwärmte Erica Fischbach, Jurymitglied des Internationalen Bob- und Skeletonverbandes, F.I.B.T.
Susi Erdmann sprach von einer Gänsehaut und Sandra Prokoff sogar von einer Entenhaut. Und genauso war es auch. Entlang der ganzen 1.340 Meter der Eisrinne standen begeistere Fans Kopf an Kopf, gespannt auf die Premiere der Damen in diesem Olympischen Wettbewerb.

Dass dieses Rennen von allen Seiten mit Argusaugen beobachtet wurde, und zugleich ein Härtetest für diese Sportart sein sollte, war nicht nur den Verantwortlichen klar, sondern den gesamten Athletinnen, Trainern und Betreuern. Die harte Arbeit und der lange Kampf der letzten Jahre waren nun endlich bereit belohnt zu werden. Die Nervosität steigerte sich von Trainingstag zu Trainingstag und erreichte seinen absoluten Höhepunkt am 19. Februar, dem Renntag. "Da war das Weltcupfinale in Calgary nichts dagegen, obwohl dort schon die Luft gebrannt hat" sagte Erica Fischbach, "wir spürten die extreme Nervosität, die auch bei mir und meinem Kollegen aus Kanada Joseph Kilburn nicht halt machte." Anspannung pur!!!!!

Im Gegensatz zu dem Team Bakken/Flowers, das mit Start- und Bahnrekord eine fast fehlerfreie Fahrt hingelegt hatte, verlief der erste Lauf für das deutsche Team nicht so glatt wie an den vorangegangenen Trainingstagen. Sandra Prokoff hatte einen schweren Fahrfehler und verpatzte hier schon mit ihrer Bremserin Ulrike Holzner, eine der besten Weitspringerin Deutschlands vom USC Mainz, jegliche Chance Jill Bakken´s Vorsprung von 0,29 Sekunden einzuholen. "Bin halt ein wenig abgebogen", beurteilte die Winterbergerin den eigenen Lauf in ihrer gewohnt schlaksigen Art.

So hätte sie beinahe noch den 2. Rang nach dem ersten Lauf an die Gesamtweltcupsiegerin der Saison 2001/2002, ihrer eigenen Mitstreiterin und Teamkollegin Susi Erdmann verloren. Erdmann fuhr bei diesem Rennen nicht mit ihrer eigenen Teamkollegin Anne Dietrich. Obwohl die 21-jährige Sprinterin aus dem sächsischen Zwickau und die deutsche Dreisprung-Meisterin Nicole Herschmann (Berlin) in Oberhof bei dem entscheidenden Test die schnellsten Zeiten schoben. „Annegret gehört zu meinem Team. Das ist ganz klar, dass ich lieber mit ihr fahre“, sagte Pilotin Susi Erdmann nach der Ausscheidung.

Zwischen dem Start ihrer Bob-Karriere und dem Olympiadebüt lagen für Annegret Dietrich allerdings nur vier Monate. Anfang Oktober hatte die Sprinterin aus der Magdeburger Trainingsgruppe von Thomas Springstein ihre ersten Fahrten mit Ex-Weltmeisterin Gabi Kohlisch absolviert. Bei ihrem Weltcupdebüt im November in Winterberg wurde sie dann mit Susi Erdmann auf Anhieb Zweite. So kam es dann für alle ein wenig überraschend, dass der Bundestrainer Wolfgang Hoppe sich für Nicole Herschmann aus dem Team Sandra Prokoff entschied und Anne Dietrich als Ersatzanschieberin nach Salt Lake City reisen ließ. So lief auch der zweite Lauf bei beiden Teams nicht optimal, trotz dem Startrekord von Sandra Prokoff und Ulrike Holzner (5.29 Sek.).

Bessere Startzeiten hingegen wären auch bei dem Team Erdmann/Herschmann umsetzbar gewesen. Mit einigen Fahrfehlern zeigten sich beide deutschen Teams nicht annähernd in der hervorragenden Form, in der sie sich zuvor im Training und in der Saison davor gezeigt hatten. Denn gerade auf einer kürzeren Eisbahn wie in Park City kann schon ein kleiner Fehler eine enorme Auswirkung auf eine Platzierung haben. Trotz hoher Erwartungen ist eine Silberne und eine Bronzene Medaille eine sensationelle Bilanz der deutschen Mannschaft für den Einstand bei Olympia.

Einige Medien zweifelten zwar an der richtigen Freude der deutschen Damen. Jedoch Erica Fischbach konnte bestätigen, das diese Freue echt war. So war es sicherlich richtig, dass die amerikanischen Pilotinnen in Salt Lake City einen klaren Heimvorteil hatten und natürlich verstärkt vor den Spielen auf ihrer Heimbahn trainieren konnten. Die deutschen Pilotinnen hatten auf der olympischen Bahn ja nur rund 30 Abfahrten um sich an die Strecke zu gewöhnen. Letztendlich zeigte sich doch die ehrliche Freude unserer Mädels, als sie bei der Blumenzeremonie die Goldmedaillen-Gewinnerinnen Jill Bakken und Vonetta Flowers auf den Händen trugen. Gerecht zudem, dass eine Pilotin gewonnen hat, die schon seit 10 Jahren Bob fährt, ganz im Gegensatz zu den Teams Prokoff und Erdmann.
Hervorheben sollte man aber noch Spitzenathletin Susi Erdmann, die mit ihren Medaillen im Rodeln der letzten Olympischen Spiele bereits in zwei verschiedenen Sportarten Edelmetall für Deutschland erkämpfen konnte. Das muss erst einer nach machen. Hut ab!

Auch wenn es nach dieser Premiere kaum noch kritische Stimmen gibt, kann man manche Äusserungen nicht verstehen. Trotz gewonnener silbernen und bronzenen Medaille kann man nur den Kopf über die Aussage des Herrn Kotter, Präsident des Bob- und Schlittenverband für Deutschland, schüttelten: "Wenn es nach mir ginge, gäbe es auch heute noch kein Damenbob"                     
So manche Überschriften in bekannten Tageszeitungen vermuten ein absolutes Unwissen des Journalisten über den Bobsport. Soviel Presse-Schwachsinn und Unvermögen erntete bei den Insidern und Fans nur ein müdes Lächeln.
Hier ein Beispiel: "Abgehängte Pionierin" oder "Für den Umstieg in den Bob hat Susi Erdmann 150.000 EURO ausgegeben und viel Spott geerntet - bei der Premiere wir sie Dritte!"

In Wirklichkeit war dies eine hervorragende Präsentation der Sportart Damenbob, die von allen Seiten bestätigt wurde. Auch das positive Statement des erfolgreichsten Bobfahrers der Welt, Wolfgang Hoppe, bestätigte, daß dies ein sehr guter Wettkampf gewesen sei. Denn die Damen haben im Utah Olympia Park mit der Erstaufführung eine solide Basis für eine vielversprechende Entwicklung im olympischen Programm geschaffen.

Das man sich natürlich auf den errungenen Lorbeeren nicht ausruhen darf, ist gewiss. Es muß gerade jetzt noch intensiver  gearbeitet werden. Gleich wichtig ist die Nachwuchsarbeit. Eine neue Idee spukt zur Zeit schon in den Köpfen von Lois Holann (USA) und Erica Fischbach (GER) herum. Es soll ein Austauschprogramm für neue junge Athletinnen geschaffen werden.
Neue Athletinnen erhalten die Chance, bei Familien unterzukommen, die in der Nähe eine Bobbahn haben. Dort sollen ausgiebige Trainigsmöglichkeiten geschaffen werden. Bisher wurden die Bahnen in Kanada, USA und Deutschland ins Auge gefaßt. Hierfür werden in allen drei Ländern noch Sponsoren gesucht, die ein 14-tägiges Austauschprogramm auch finanzieren. Trainer, die sich hier zur Verfügung stellen, müssen ebenfalls noch angesprochen werden.

Sponsoren zu finden dürfte im Moment in Amerika einfacher zu finden sein. Die Bestätigung kam. Bei allen Beteiligten traten Glücksgefühle auf und sahen es als eine große Ehre an, das die beiden Goldmädchen bei der Abschlussfeier die Olympische Fahne mit ins Rice-Eccles-Stadion tragen durften.


Erica Fischbach mit Susi Erdmann

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