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Dossier 2000 - Deutsches WM-Team 2000


Vorne von li. nach re.: Gabi Kohlisch, Sabine Knabe, Steffi Möller, Birgit Brodbeck,
Heike Storch, Heiner Ruff. Hinten: Yvonne Cernota, Katrin Kühne, Kathleen Hering,
Erica Fischbach


Auf dem Höllenritt zur Goldmedaille

Bei der ersten ausgetragenen Damenbob-Weltmeisterschaft in Winterberg, die am 05. Februar 2000 stattfand, sorgte die Ex-Rodlerin Gabi Kohlisch und ihre Anschieberin Kathleen Hering für Überraschung und begeisterte die Zuschauer mit einem unvorhergesehenen Sieg.

Die erst kürzlich auf den Bob umgestiegene Rodlerin Gabi Kohlisch hatte sich als Anschieberin eine hervorragende Sportlerin ausgesucht. Kathleen Hering, die im Diskussport bereits als erfolgreiche Sportlerin gilt, stieg in dieser Saison in den Damenbob ein. Die beiden sind ein hervorragendes Team. Kohlisch, die mit ihren Jahren auf dem Rodelschlitten bereits alle Bahnen auswendig kennt und Hering, die mit ihrer Kraft und Schnelligkeit den Bob aus dem Stand sehr gut fortbewegen kann.

Obwohl die beiden Damen erst zwei Monate diesen Sport mit Ehrgeiz und Regelmäßigkeit ausübten, qualifizierten sich in dieser kurzen Zeit, mit nur 57 Fahrten, für die Weltmeisterschaft. Mit einer Medaille rechnete bei dieser WM für die beiden keiner. Auch sie selbst nicht. Hinzu kam noch, dass genau dieses Team eine Woche zuvor den Deutschen Meistertitel auf der selben Bahn gewannen. Sie wurden zur WM zugelassen, aber wegen fehlender Weltcup-Punkte mussten sie sich mit der Startnummer 18 in der dritten Startgruppe zufrieden geben.

Dies schien Kohlisch und Hering jedoch überhaupt nicht zu beeindrucken. Das Team startete im ersten Lauf mit einer hervorragenden Bestzeit von 5,66 Sekunden. Ihre Favoritinnen und die Zuschauer staunten. Ihre Gesamtfahrzeit auf der über 1200 Meter langen Bahn belief sich auf 59,30 Sekunden. Damit fuhren sie auf den fünften Platz mit einem minimalen Rückstand von 3,7 Zehntel vor der erwartungsgemäß führenden und mehrfachen Gesamt-Weltcupsiegerin Francoise Burdet vom Team I aus der Schweiz.

Aus einem Interview mit Gabi Kohlisch geht hervor, dass sie im ersten Lauf allerdings Probleme mit ihrem Visier hatte. Sie musste etwa dreiviertel der Strecke mit beschlagenem Visier fahren, also fast blind. Man kann es wohl jedem seiner Fantasie überlassen, welche Zeit das Team Kohlisch bereits hätte erzielen können, wäre dieses Missgeschick nicht passiert.

Der zweite Lauf verlief für das deutsche Team noch sensationeller, als man sich das hätte vorstellen können. Hier zeigte sich, dass sich die Damen trotz des kleinen Problems im Vorlauf nicht beirren ließen. Ein zweites Mal legten sie eine Startbestzeit vor, holten die fehlende Zeit vom ersten Lauf auf und fuhren eine Endbestzeit von 58.79 Sekunden. Somit hatten Sie eine Gesamtbestzeit von 1:58.09 vor dem hochfavorisierten Team 1 Jean Racine/Jennifer Davidson aus den USA. Um genau elf Hundertstel besser war das deutsche Team und vertrieb die Amerikanerinnen auf den zweiten Platz. Sogar den Top-Favoritinnen aus der Schweiz, Francoise Burdet/ Katharina Sutter fuhren sie um 30 Hundertstel davon und überließen ihnen nur eine Bronzemedaille.
Siegerehrung - Kathleen Hering und Gabi Kohlisch Die Enttäuschung sah man den Schweizerinnen und ebenso den Amerikanerinnen an. Mit Tränen in den Augen meinte Francoise Burdet, dass ihre Läufe zwar gut waren, aber nicht perfekt. Das deutsche Team Kohlisch/Hering war eben besser. Sie meinte, dass es sicherlich möglich gewesen wäre, den Titel zu holen. Ebenso für Jean Racine. Es galt für beide Teams einen Traum zu verwirklichen, die erste Weltmeisterin im Damenbob zu werden. Doch leider zerplatzte dieser Traum bei beiden Teams wie eine Seifenblase. Beide ausländischen Bobteams fahren bereits seit mehreren Jahren Bob. Sie mussten lange Entbehrungen auf sich nehmen und um die Akzeptanz ihres Sportes lange kämpfen. Die Enttäuschung ist wohl zu verstehen. Aber auch hier zählt, wer die stärkeren Nerven behält, sicher und eine gute Linie fährt, locker bleibt und nicht zu verbissen am Steuer sitzt, kann sich auch einen Weltmeister-Titel holen.
Die Lockerheit des deutschen Teams, die überhaupt nicht mit einem Sieg gerechnet hatten, kam den beiden Damen Kohlisch und Hering wohl zugute. Was aber die Leistung der beiden keinesfalls schmälern soll.

Dieses Ereignis, noch dazu bei der ersten ausgetragenen Damenbob-Weltmeisterschaft, schreibt Geschichte und wird so schnell nicht vergessen sein. Besonders haften bleibt dieses Ereignis sicherlich bei den Konkurentinnen.

Aufgerundet wurde das Gesamtergebnis durch die Lokalmatadorin Heike Storch, die mit einer Gesamtzeit von 1:58,42 mit ihrer Anschieberin Birgit Brodbeck nur um drei Hundertstel Sekunden die Bronzemedaille verpasste. Ihre Mannschaftskameradinnen, das Team Steffi Möller/Sabine Knabe, plazierte sich mit 1:58.52 Sekunden gleich hinter Storch.

Den Präsident des Bobverbandes F.I.B.T. Bob Storey sah man sichtlich erfreut und beeindruckt von den Leistungen der Damen: "Ich denke, wir haben an diesem Wochenende in Winterberg den Durchbruch des Damenbobs erlebt".

Es ist zu hoffen, dass die Damen, durch Erlangen des ersten Weltmeisterschaftstitels für Deutschland, den Vereinen und Landesverbänden neue Akzente und Perspektiven für die Nachwuchsarbeit gesetzt haben. Zu erwarten ist, dass sie nicht nur im Herrenbob sondern verstärkt im Damenbob eine Zukunft verschaffen, agieren und etwas bewegen können. Der Damenbobsport ist unübersehbar im Aufstieg. In der vergangenen Saison waren bei Weltcups nur 7 Nationen am Start. Dieses Starterfeld ist bereits in dieser Saison 1999/2000 auf 18 Nationen angewachsen.

Der Fortschritt ist nicht zu übersehen und sollte auch nicht verschlafen werden. Bereits andere Nationen stehen längst in den Startlöchern und warten nur auf einen Fehltritt, um sich Vorteile zu verschaffen. Diesen Fehltritt kann man sich in unserer heutigen schnellebigen Zeit nicht leisten. Auch nicht im Sport. Schon gar nicht bei dieser aufstrebenden Sportart, in der genug auszuschöpfendes und gewinnbringendes Potential vorhanden ist.

Verantwortlich für den Text: Erica Fischbach


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